Spaniens Regierungschef löst Parlament auf und setzt vorgezogene Neuwahlen an
Nach einer schweren Schlappe für seine sozialdemokratische Partei bei Regional- und Kommunalwahlen hat Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez überraschend vorgezogene nationale Parlamentswahlen angekündigt. Er habe König Felipe VI. seine Entscheidung mitgeteilt, "das Parlament aufzulösen und Parlamentswahlen anzusetzen", sagte Sánchez am Montag in Madrid. Statt wie bislang vorgesehen am Jahresende soll nun bereits am 23. Juli ein neues Parlament gewählt werden.
Zur Begründung seines Schritts verwies Sánchez auf den für seine Partei teilweise verheerenden Ausgang der Regional- und Kommunalwahlen, bei denen die oppositionelle konservative Volkspartei (PP) vielerorts überraschend deutlich triumphierte.
Als Regierungschef sowie als Vorsitzender der sozialdemokratischen PSOE übernehme er die Verantwortung für das Ergebnis, sagte der Ministerpräsident mit ernster Miene vor dem Regierungspalast. "Ich glaube, dass es notwendig ist, darauf zu antworten, indem wir unser demokratisches Mandat dem Willen des Volkes stellen."
Bei den Wahlen am Sonntag hatte die PSOE in den rund 8100 Kommunen des Landes ein Ergebnis von insgesamt rund 28,1 Prozent erzielt. Die PP von Alberto Núñez Feijóo erreichte dagegen etwa 31,5 Prozent, zudem siegte sie in sechs von zehn bisher von der PSOE regierten Regionen. Außerdem eroberte die PP unter anderem Valencia und Sevilla - die dritt- und viertgrößten Städte des Landes.
In der Hauptstadtregion Madrid wiederum gelang es der politischen Hardlinerin Isabel Díaz Ayuso, die absolute Mehrheit für die PP zu sichern. Zudem gelang es den Konservativen, eine von der PSOE erhoffte Rückeroberung des Rathauses von Barcelona zu verhindern.
"Wir haben einen klaren Sieg eingefahren, und Spanien hat die ersten Schritte in Richtung einer neuen politischen Ära gemacht", sagte Oppositionsführer Feijóo in seiner Siegesrede vor jubelnden Anhängern. Er hatte den Urnengang im Vorfeld zu einem nationalen Referendum über die Minderheitsregierung von Sánchez erklärt. Diese sah sich zuletzt zunehmender Kritik wegen der steigenden Inflation und des allgemeinen Kaufkraftverlusts ausgesetzt.
Als weiterer Wahlsieger neben der PP feierte sich die rechtsextreme Vox-Partei, die ebenfalls an Stimmen zulegte. Sie verdoppelte ihre Stimmenzahl bei den Kommunalwahlen auf landesweit knapp 7,2 Prozent und konnte ihre Sitzzahl in mehreren Regionalparlamenten spektakulär erhöhen.
Zudem hat sich die Vox-Partei mit ihrem guten Abschneiden für die PP unentbehrlich gemacht. In fünf der sechs von der PP gewonnenen Regionen werden die Konservativen bei der Regierungsbildung auf die Unterstützung der Rechtsextremen angewiesen sein. Dies dürfte PP-Chef Feijóo einiges Unbehagen bereiten: Er will bei den Parlamentswahlen vor allem die politische Mitte erobern und diese mit einer moderaten Linie überzeugen. Deshalb hatte er zuletzt versucht, sich von der Vox abzugrenzen.
Ein rechtsgerichteter "Tsunami" sei "durch alle Regionen in Spanien" gefegt, sagte der sozialdemokratische Spitzenkandidat in der nördlichen Region Aragon, Javier Lamban, der eine Niederlage erlitt. "Wir stehen in Spanien vor einem unbestreitbaren Rechtsaufschwung, angeführt von PP und Vox", kommentierte seinerseits Miguel Ángel Revilla, der als Chef der Regionalregierung Kantabriens abgelöst wurde.
Damit geht Sánchez mit einer schweren Hypothek in die von ihm nun angekündigten vorgezogenen Neuwahlen. Er regiert Spanien seit Juni 2018, seit Januar 2020 zusammen mit der linksgerichteten Podemos-Partei in einer Minderheitsregierung. Auch Podemos musste am Sonntag deutliche Stimmenverluste hinnehmen.
Die Wahlbeteiligung lag offiziellen Angaben zufolge bei knapp 64 Prozent und damit gut einen Prozentpunkt niedriger als bei den Kommunalwahlen 2019.
H.Ercolani--PV